Am 03.03.18 fand in Dußlingen erneut unser Inklusionsbegleiterseminar statt. Hierzu ist im Schwäbischen Tagblatt am 05.03.18 ein Artikel erschienen, den wir Ihnen nicht vorenthalten möchten:
Handicaps Wie man Menschen mit Behinderung begegnet
Dußlingen. Wenn ihr jemand „Gute Besserung“ wünscht, könnte die MS-kranke Dußlingerin Angelika Buchmann glatt an die Decke gehen. Bei so viel Gedankenlosigkeit fühle sie sich total unverstanden. Vielen Leuten gelinge es einfach nicht, die Perspektive von Menschen mit Behinderung zu übernehmen, so erlebt es auch Hartmut Gerst aus Mössingen, der mit seinem Blindenhund Max in der Runde im Dußlinger Rathaussaal saß. „Die muss man aufklären“, forderte er.
Darüber tauschten sich rund ein Dutzend Interessierte und Betroffene beim 4. Inklusionsbegleiter-Seminar aus. Eingeladen hatte Dußlingens Inklusionsbeauftragte Silke Hornung. Die einen – wie etwa die Dußlinger Zahnarzthelferin Susanne Mohl-Principato – trieb der Wunsch her, mehr Sicherheit zu gewinnen und „möglichst wenig Fehler zu machen“. Die anderen berichteten über erlebte Diskriminierungen und Missverständnisse, aber auch über einen zunehmend selbstverständlicheren Umgang im Alltag und ein gewachsenes Selbstbewusstsein.
Er nehme „die Normalen“ halt so, wie sie sind, sagte Armin Rist aus Rottenburg gelassen. Der 1970 Geborene kam mit Trisomie 21 zur Welt und ist neben vielen anderen Ehrenämtern Inklusionsbotschafter der Lebenshilfe für Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Für die Seminarteilnehmer verlas er die Kernpunkte der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. „Irgendwann ist es egal, wie man sich bewegt, wie man aussieht und wie man spricht“, sagte er zusammenfassend.
„Nachfragen baut Distanz ab.“ Simon Schmid, Referendar
Nur vier Prozent aller Handicaps sind angeboren, informierte Seminarleiterin Sabine Goetz. Sie führt die Tübinger Geschäftsstelle des Landesverbandes Körperbehinderter Baden-Württemberg. Ihren Kollegen David Scharla, der für sie die Verwaltung und Projektkoordinierung macht, brachte ein Unfall in den Rollstuhl.
Gleich zu Beginn bat sie die Teilnehmer, die sprachliche Korrektheit nicht zu übertreiben. Auch Rolli-Fahrer fragten sich untereinander lässig „Wie läuft’s?“, und auch Blinde sprächen davon, dass sie im Fernsehen gerade einen Film anschauen. „Wer bei jedem Wort lange überlegt, sagt am Ende lieber gar nichts“, fürchtete sie. „Solange wir aufeinander zugehen, dürfen wir auch Fehler machen“. Selbst beim Begriff der Behinderung zähle nur nachrangig, dass das Wort in der Jugendsprache ein Schimpfwort geworden ist. Wesentlich seien die Empathie und die Wertschätzung auf Augenhöhe, mit der sich Menschen mit und ohne Handicap begegnen. Die Menschen sollen sich „einfach stinknormal benehmen“, übersetzte Maria Eckert das Gehörte für sich. Die 27-jährige Reutlingerin, die in der LWV-Eingliederungshilfe arbeitet, sitzt wegen einer Cerebralparese seit ihrer Kindheit im Rollstuhl. Auf keinen Fall wünscht sie sich eine anbiedernd gebückte Haltung von ihren Gesprächspartnern. Oder dass die Leute über ihren Kopf hinweg miteinander reden, als wäre sie nicht da. Oder den Blickkontakt mit ihr meiden, sie nicht direkt ansprechen und stattdessen ihren Begleiter fragen, ob Unterstützung gewünscht wird. Viel lieber ist ihr die gesunde Neugier von Kindern, die sie ohne Scheu anstarren und einfach nachfragen.
„Die Behinderung ist nur ein Persönlichkeitsmerkmal von vielen“, riet Goetz den Teilnehmenden, bei neuen Kontakten lieber zu viel als zu wenig zu kommunizieren. Bei der Frage nach der Art der Behinderung riet David Scharla von plumper Neugier ab. Das müsse der Entscheidung der Betroffenen überlassen bleiben. „Offen darüber reden“, empfahl dagegen Hartwig Schröder aus Gomaringen, der wegen einer Muskelkrankheit seit sechs Jahren auf den Rollstuhl angewiesen ist. Eigentlich seien die Leute interessiert. „Nachfragen baut Distanz ab“, ergänzte der Mössinger Referendar Simon Schmid.
Auch die Rollstuhlfahrer sollten im Gespräch Brücken anbieten. Ihm lag daran, nicht nur Benachteiligungen zu beklagen, sondern auch die erreichten Fortschritte zu würdigen. Seine Schüler könnten innerhalb kurzer Zeit nachempfinden, wie es ihm geht. „Die Barrieren im Kopf sind die schlimmsten“, wusste Goetz. Seien die erst einmal gefallen, könne man auch die anderen Hindernisse überwinden. Sie sprach von der Forderung nach gleichen Rechten beim Wohnen, bei der Bildung und der Arbeit, wusste aber auch: „Wir sind noch weit von einer Verwirklichung entfernt“.
Rosemarie Schwarz aus Dußlingen war schon das zweite Mal beim Seminar dabei. „Ich gehe inzwischen ganz anders auf die Leute zu“, erzählt sie, wieviel sie von ihrer früheren Befangenheit verloren hat.
Text: Susanne Mutschler
Bild: Franke
Wie fühlt es sich an, blind unterwegs zu sein, die Perspektive von Menschen mit Behinderung einzuneh- men: Wie Menschen mit und ohne Behinderung im Alltag leichter miteinander zurechtkommen, war am Samstag Thema eines Seminars in Dußlingen. Bild: Franke
minierungen und Missverständ- nisse, aber auch über einen zu- nehmend selbstverständliche- ren Umgang im Alltag und ein gewachsenes Selbstbewusstsein. Er nehme „die Normalen“ halt so, wie sie sind, sagte Armin Rist aus Rottenburg gelassen. Der 1970 Geborene kam mit Triso- mie 21 zur Welt und ist neben vielen anderen Ehrenämtern In- klusionsbotschafter der Lebens-
Teilnehmer, die sprachliche Korrektheit nicht zu übertrei- ben. Auch Rolli-Fahrer fragten sich untereinander lässig „Wie läuft’s?“, und auch Blinde sprä- chen davon, dass sie im Fernse- hen gerade einen Film anschau- en. „Wer bei jedem Wort lange überlegt, sagt am Ende lieber gar nichts“, fürchtete sie. „Solange wir aufeinander zugehen, dürfen wir auch Fehler machen“. Selbst
anstarren und einfach nachfra- gen.
„Die Behinderung ist nur ein Persönlichkeitsmerkmal von vielen“, riet Goetz den Teilneh- mern, bei neuen Kontakten lie- ber zu viel als zu wenig zu kom- munizieren. Bei der Frage nach der Art der Behinderung riet Da- vid Scharla von plumper Neu- gier ab. Das müsse der Entschei- dung der Betroffenen überlassen
Am 03.03.18 fand in Dußlingen erneut unser Inklusionsbegleiterseminar statt. Hierzu ist im Schwäbischen Tagblatt am 05.03.18 ein Artikel erschienen, den wir Ihnen nicht vorenthalten möchten:
Handicaps Wie man Menschen mit Behinderung begegnet
Dußlingen. Wenn ihr jemand „Gute Besserung“ wünscht, könnte die MS-kranke Dußlingerin Angelika Buchmann glatt an die Decke gehen. Bei so viel Gedankenlosigkeit fühle sie sich total unverstanden. Vielen Leuten gelinge es einfach nicht, die Perspektive von Menschen mit Behinderung zu übernehmen, so erlebt es auch Hartmut Gerst aus Mössingen, der mit seinem Blindenhund Max in der Runde im Dußlinger Rathaussaal saß. „Die muss man aufklären“, forderte er.
Darüber tauschten sich rund ein Dutzend Interessierte und Betroffene beim 4. Inklusionsbegleiter-Seminar aus. Eingeladen hatte Dußlingens Inklusionsbeauftragte Silke Hornung. Die einen – wie etwa die Dußlinger Zahnarzthelferin Susanne Mohl-Principato – trieb der Wunsch her, mehr Sicherheit zu gewinnen und „möglichst wenig Fehler zu machen“. Die anderen berichteten über erlebte Diskriminierungen und Missverständnisse, aber auch über einen zunehmend selbstverständlicheren Umgang im Alltag und ein gewachsenes Selbstbewusstsein.
Er nehme „die Normalen“ halt so, wie sie sind, sagte Armin Rist aus Rottenburg gelassen. Der 1970 Geborene kam mit Trisomie 21 zur Welt und ist neben vielen anderen Ehrenämtern Inklusionsbotschafter der Lebenshilfe für Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Für die Seminarteilnehmer verlas er die Kernpunkte der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. „Irgendwann ist es egal, wie man sich bewegt, wie man aussieht und wie man spricht“, sagte er zusammenfassend.
„Nachfragen baut Distanz ab.“ Simon Schmid, Referendar
Nur vier Prozent aller Handicaps sind angeboren, informierte Seminarleiterin Sabine Goetz. Sie führt die Tübinger Geschäftsstelle des Landesverbandes Körperbehinderter Baden-Württemberg. Ihren Kollegen David Scharla, der für sie die Verwaltung und Projektkoordinierung macht, brachte ein Unfall in den Rollstuhl.
Gleich zu Beginn bat sie die Teilnehmer, die sprachliche Korrektheit nicht zu übertreiben. Auch Rolli-Fahrer fragten sich untereinander lässig „Wie läuft’s?“, und auch Blinde sprächen davon, dass sie im Fernsehen gerade einen Film anschauen. „Wer bei jedem Wort lange überlegt, sagt am Ende lieber gar nichts“, fürchtete sie. „Solange wir aufeinander zugehen, dürfen wir auch Fehler machen“. Selbst beim Begriff der Behinderung zähle nur nachrangig, dass das Wort in der Jugendsprache ein Schimpfwort geworden ist. Wesentlich seien die Empathie und die Wertschätzung auf Augenhöhe, mit der sich Menschen mit und ohne Handicap begegnen. Die Menschen sollen sich „einfach stinknormal benehmen“, übersetzte Maria Eckert das Gehörte für sich. Die 27-jährige Reutlingerin, die in der LWV-Eingliederungshilfe arbeitet, sitzt wegen einer Cerebralparese seit ihrer Kindheit im Rollstuhl. Auf keinen Fall wünscht sie sich eine anbiedernd gebückte Haltung von ihren Gesprächspartnern. Oder dass die Leute über ihren Kopf hinweg miteinander reden, als wäre sie nicht da. Oder den Blickkontakt mit ihr meiden, sie nicht direkt ansprechen und stattdessen ihren Begleiter fragen, ob Unterstützung gewünscht wird. Viel lieber ist ihr die gesunde Neugier von Kindern, die sie ohne Scheu anstarren und einfach nachfragen.
„Die Behinderung ist nur ein Persönlichkeitsmerkmal von vielen“, riet Goetz den Teilnehmenden, bei neuen Kontakten lieber zu viel als zu wenig zu kommunizieren. Bei der Frage nach der Art der Behinderung riet David Scharla von plumper Neugier ab. Das müsse der Entscheidung der Betroffenen überlassen bleiben. „Offen darüber reden“, empfahl dagegen Hartwig Schröder aus Gomaringen, der wegen einer Muskelkrankheit seit sechs Jahren auf den Rollstuhl angewiesen ist. Eigentlich seien die Leute interessiert. „Nachfragen baut Distanz ab“, ergänzte der Mössinger Referendar Simon Schmid.
Auch die Rollstuhlfahrer sollten im Gespräch Brücken anbieten. Ihm lag daran, nicht nur Benachteiligungen zu beklagen, sondern auch die erreichten Fortschritte zu würdigen. Seine Schüler könnten innerhalb kurzer Zeit nachempfinden, wie es ihm geht. „Die Barrieren im Kopf sind die schlimmsten“, wusste Goetz. Seien die erst einmal gefallen, könne man auch die anderen Hindernisse überwinden. Sie sprach von der Forderung nach gleichen Rechten beim Wohnen, bei der Bildung und der Arbeit, wusste aber auch: „Wir sind noch weit von einer Verwirklichung entfernt“.
Rosemarie Schwarz aus Dußlingen war schon das zweite Mal beim Seminar dabei. „Ich gehe inzwischen ganz anders auf die Leute zu“, erzählt sie, wieviel sie von ihrer früheren Befangenheit verloren hat.
Text: Susanne Mutschler
Bild: Franke
Wie fühlt es sich an, blind unterwegs zu sein, die Perspektive von Menschen mit Behinderung einzuneh- men: Wie Menschen mit und ohne Behinderung im Alltag leichter miteinander zurechtkommen, war am Samstag Thema eines Seminars in Dußlingen. Bild: Franke
minierungen und Missverständ- nisse, aber auch über einen zu- nehmend selbstverständliche- ren Umgang im Alltag und ein gewachsenes Selbstbewusstsein. Er nehme „die Normalen“ halt so, wie sie sind, sagte Armin Rist aus Rottenburg gelassen. Der 1970 Geborene kam mit Triso- mie 21 zur Welt und ist neben vielen anderen Ehrenämtern In- klusionsbotschafter der Lebens-
Teilnehmer, die sprachliche Korrektheit nicht zu übertrei- ben. Auch Rolli-Fahrer fragten sich untereinander lässig „Wie läuft’s?“, und auch Blinde sprä- chen davon, dass sie im Fernse- hen gerade einen Film anschau- en. „Wer bei jedem Wort lange überlegt, sagt am Ende lieber gar nichts“, fürchtete sie. „Solange wir aufeinander zugehen, dürfen wir auch Fehler machen“. Selbst
anstarren und einfach nachfra- gen.
„Die Behinderung ist nur ein Persönlichkeitsmerkmal von vielen“, riet Goetz den Teilneh- mern, bei neuen Kontakten lie- ber zu viel als zu wenig zu kom- munizieren. Bei der Frage nach der Art der Behinderung riet Da- vid Scharla von plumper Neu- gier ab. Das müsse der Entschei- dung der Betroffenen überlassen
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